Thank you Hanna Klimbe for your insideful article on TUSH Magazine www.tushmagazine.com
DIGITAL STIMUATION
Per Twitte r und Telefon will sich die New Yorker Künstlerin Maia Marinelli von der Web-Communty zum Orgasmus bringen Lassen . Ihr „Global Orgasm Project “soll die Antwort auf die Frage liefern: Gibt eserotische Schwarmintelligenz?
Text: Hanna Klimke
Die Idee kam den beiden New Yorkerinnen Emily Conrad und Maia Marinelli vor etwa fünf Jahren: „Uns fiel auf, wie resend schnell sich digitale Technologien entwickelten und die Kommunikation der Menschen zu verändern begannen“, erzählt die Künstlerin und Werberin Maia Marinelli. „Wir fingen an, darüber zu frotzeln: Hey, wenn die Menschen nur noch über Telefon oder Internet kommunizieren, könnte man das ganze Datingprozedere auch abkürzen. Die Idee war, mit einem Typen gar nicht mehr zu reden, sondern einfach den Dildo mit dem Telefon zu verbinden und ihn am anderen Ende der Leitung machen zu lassen. Und nicht nur einen Typen – alle, mit denen wir potenziell schlafen würden.“ Die Idee war gut, doch die Welt noch nicht bereit. „Wir haben ein bisschen rumprobiert, aber die Technik war einfach noch nicht ausgereift genug, weder die Hard- noch die Software. Das war ja noch Prä-Social-Network.“
Letztes Jahr beschlossen Conrad und Marinelli, dass die Zeit des globalen Orgasmus gekommen sei: „Wir werden mit Kommunikationstechnologien völlig zugedröhnt, aber Technologie ist ein Ökosystem wie viele andere, dessen Evolution auf Stimulanzen beruht. Wir können es stimulieren oder uns davon stimulieren lassen. Die Frage ist: Was passiert, wenn das Ökosystem Technologie mit einer so persönlichen, intimen Herausforderung konfrontiert wird wie einem Orgasmus? Was passiert, wenn die virtuelle Welt auf das wohl körperlichste aller Phänomene stößt?“ Das „Global Orgasm Project“ sieht konkret folgendermaßen aus: Marinelli trägt einen verkabelten Anzug, in den Sextoys integriert sind. Jeder erogenen Zone entspricht eine Telefonnummer, die die Teilnehmer wählen können, um sie zu stimulieren. Je mehr Teilnehmer eine bestimmte Nummer wählen, destolauter brummt der Vibrator. Die Performance wird per Twitter im Internet übertragen. Im August 2010 führten Marinelli und Conrad im Rahmen der „Arse Electronica“, einer Sex-Technologie- Messe in San Francisco, einen ersten Testdurchgang durch, der zunächst nur auf einige Freunde beschränkt war. Für Herbst planen sie die erste weltweite Performance, 10.000 Dollar treiben die beiden gerade dafür auf, verstärkt durch den Produzenten Vanja Srdic. „Natürlich ist es vor allem Provokation“, so Marinelli. „It’s a hack on social media, a hack on technology, it’s also a hack on culture and pornography. Von hundert Prozent Provokation bleibt vielleicht nur ein Prozent Veränderung übrig, aber das kann schon eine Menge ausmachen.“
Das „Global Orgasm Project“ berührt dabei laut Marinelli die unterschiedlichsten Aspekte von Sexualität: „Es geht um mehr als zwei oder eine Million erregter Menschen, es geht um Projektion, gegenseitiges Begehren, um Voyeurismus oder schlicht das Bedürfnis des Körpers nach Befriedigung. Warum sollten wir die Sprache der digitalen Medien nicht nutzen, um einen realen Orgasmus zu bekommen?“ Dabei geht es den Künstlerinnen durchaus auch darum, sich das Internet für die Befriedigung weiblicher Sexualität anzueignen, und da wäre das erwähnte eine Prozent Veränderung ein prima Anfang: Immerhin 28 Prozent aller Internetpornos werden von Frauen geguckt, und die müssen dabei über die Tatsache hinwegsehen, dass der Großteil der Videos von der Prämisse ausgeht, ihre Sexualität entfalte sich vor allem bei Erniedrigung und exponentieller Penetration.
Das Faszinierendste am „Global Orgasm Project“ ist sicherlich das Aufeinanderprallen einer virtuellen weltweit verstreuten Gemeinschaft mit der puren physischen Präsenz eines weiblichen Körpers. Es wundert nicht, dass Marinelli und Conrad sich von Marina Abramovic, einer der extremsten Body-Artists, inspirieren ließen. „In einer ihrer Performances stand sie nackt in einer Galerie, neben ihr ein Tisch mit unterschiedlichen Gegenständen. Sie forderte die Besucher auf, mit ihr zu machen, was immer sie wollten. Manche Leute behandelten sie zärtlich, manche brutal. Sie wollte die menschliche Natur provozieren: Indem Moment, in dem sie sich selber zum Objekt macht, stellt sie die anderen vor die Herausforderung, aus ihrer eigenen menschlichen Natur heraus auch sie wie einen Menschen zu behandeln.“
Allerdings betont Marinelli, dass das „Global Orgasm Project“ gerade mit der Wechselwirkung von sexueller Autonomie und dem Sich-zum-Objekt-Machen spielt. „Die Teilnehmer stimulieren mich, aber ich sage ihnen auch, was sie tun sollen. Ich nehme nicht nur eine passive Rolle an, und wenn sie wollen, dass die Performance gelingt, müssen sie sich auf meine Bedürfnisse einstellen.“ Dabei sieht Marinelli im Spannungsfeld zwischen virtueller Gemeinschaft und individuellem Körper durchaus auch die Gefahr, dass sich der intelligente Schwarm in einen gewalttätigen Mob verwandelt: „Wenn einige Teilnehmer sich selbst so sehr in das Medium projizieren und sich in die Performance hineinsteigern, dass sie mir wehtun, stellt sich die Frage,ob die Mehrheit sie daran hindern wird oder nicht. Das berührt einen wesentlichen Punkt digitalisierter Kommunikation, den wir mit dem ,Global Orgasm Project‘ sichtbar machen wollen: Dadurch, dass wir nur noch über den geschützten Raum von Interfaces miteinander kommunizieren, geht uns das Verantwortungsgefühl gegenüber der Person, mit der wir uns austauschen, schnell verloren.“ Marinellis Meinung nach macht es einen großen Unterschied, welches Gewicht jemand seinen Worten beimisst, je nachdem, ob er nur ins Telefon spricht oder vis-à-vis die Stimmung und die Gefühle des anderen durch die Bewegungen seines Körpers wahrnimmt und damit konfrontiert wird, ob sein Handeln dem anderen guttut oder ihn verletzt. „In der Performance machen wir über Interface-basierte Kommunikation sichtbar, dass Handlungen Folgen haben: Die Teilnehmer warden mit dem Einfluss, den ihr Handeln auf mich hat, unmittelbar konfrontiert – und zwar über das Interface, über den Live-Stream. But again: Das Problem der Verantwortung im Rahmen zunehmend virtualisierter Kommunikation soll auf eine spielerische, künstlerische Art in Szene gesetzt werden. Die Idee einer globalen Orgie finde ich toll und ich hoffe, alle machen mit. Just come and tweet in!“
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